Studentische Partizipation in der Hochschullehre initiieren

Handreichung für Lehrende.


3. Studentische Partizipation wirkt kontinuierlich

Auch Partizipation ist in gewisser Weise eine Sache der Übung. Wenn wir davon sprechen, dass studentische Partizipation bedeutet, dass Studierende in die Planung, Umsetzung und Evaluation von Lehrveranstaltungen eingebunden werden, dann setzt dies eine gewisse Kontinuität voraus. Es ist wichtig, dass Studierende nicht nur ab und zu während einer Lehrveranstaltung partizipieren können, sondern dass die Möglichkeit zur Partizipation kontinuierlich gegeben ist. Partizipative Methoden, konstante Kommunikation und gleichberechtigte Entscheidungsfindung lassen sich am besten kontinuierlich über einen längeren Zeitraum auf- und ausbauen. Wenn die Beteiligten nicht an partizipative Lehre gewöhnt sind, dann bedarf der Umstieg einer regelmäßigen Selbstreflexion und Gruppenreflexion von allen.

Durch dieses Skript und durch das Angebot des Austausches bieten wir dir ein Gerüst zur Umsetzung studentischer Partizipation in der Lehre. Zusätzlich können Lehrende ihren Studierenden eine Unterstützungshilfe geben, um die ersten Schritte der Partizipation an der jeweiligen Kenntnis und den Vorerfahrungen der Studierenden zu orientieren. Dieses Gerüst wird dann in der Lehr-Lernveranstaltung stufenweise wieder abgebaut, sodass die Studierenden selbstbestimmt arbeiten und studieren können. Um dieses Scaffolding (von engl. Gerüst) in der Hochschullehre umzusetzen, wird wie folgt vorgegangen: Zunächst werden die Kompetenzen und Erfahrungen aller Teilnehmenden zusammengetragen. Danach folgen gestufte Lern- und Strukturierungshilfen für die Gestaltung der Partizipation in dieser einen Lehrveranstaltung. Im Anschluss, wenn diese Hilfen ihre Wirkungen zeigen, wird die Lernunterstützung zurückgebaut. Dies kann dazu beitragen, dass Lernende sich bestmöglich entwickeln können.

Laut der Theorie der Zone der nächsten Entwicklung (vgl. Vygotskij 1978), die im Rahmen des Scaffolding-Ansatzes verwandt wird, gibt es drei Entwicklungszonen: Die erste, die sogenannte Wohlfühlzone, beschreibt den Bereich der Person, in dem sie eine Aufgabe ohne Schwierigkeiten und ohne Hilfe bewältigen kann. Die erste Zone wird auch als "Zone der aktuellen Entwicklung" (ZaE) bezeichnet. Die zweite Zone beschreibt den Bereich des “Könnens unter Mithilfe”, auch genannt als “Zone der nächsten Entwicklung” (ZnE) oder “zone of proximal development” (ZPD). Die dritte Stufe beschreibt den Bereich des “Nicht Könnens”, auch nicht unter Mithilfe. Nach diesem Modell kann Lernen nur in der Zone der nächsten Entwicklung stattfinden. In der Wohlfühlzone sind die Herausforderungen zu gering und es findet kein Lernfortschritt statt. In der Zone des Nicht Könnens sind die Herausforderungen überfordernd und können schlicht nicht bewältigt werden. Durch einen erfolgreichen Scaffoldingprozess vergrößert sich die Zone der aktuellen Entwicklung und die Zone der nächsten Entwicklungsstufe verschiebt sich.

Abbildung 5: Scaffolding

Vorschläge für die Lehrpraxis:

A. Vor der Veranstaltung: Kontinuierliche studentische Partizipation fängt damit an, dass bereits vor der Lehrveranstaltung Optionen dafür geschaffen werden, um Partizipation wahrscheinlicher zu machen. Hierfür gibt es unterschiedliche Beispiele:

- eine gemeinsame Vorbesprechung vor Beginn der Veranstaltung (z.B. in den Semesterferien)

- einen ausführlichen Fragebogen zu Vorkenntnissen und Forschungsinteressen der Studierenden

- Einzelgespräche mit ehemaligen und zukünftigen Teilnehmenden

B. Während der Veranstaltung: Auch während der Veranstaltung muss Partizipation immer wieder geübt werden und regelmäßig stattfinden. Nicht nur die Zeitpunkte der Partizipation sollten kontinuierlich gestaltet werden, sondern auch die Inhalte. Beispiele:

Die Studierenden sollten nicht nur bei der Auswahl der Referatsthemen partizipieren können, sondern auch an den konkreten Themen der inhaltlichen Inputs sowie an der methodischen Gestaltung.

Feedback und Reflexion sollten in allen Phasen kontinuierlich in die Veranstaltung integriert werden. Hierbei kann Feedback zu den Inhalten, aber auch zu den Methoden und der Struktur der Veranstaltung eingefordert werden.

C. Nach der Veranstaltung: Die studentische Partizipation muss nicht nach der Veranstaltung enden. Auch am Ende sollen Feedback und Ideen von Studierenden wahrgenommen und abgefragt werden. Ein andauernder Austausch bietet Chancen für Lehrende und Studierende.

Methoden, die für die kontinuierliche Begleitung einer Veranstaltung hilfreich sein können, sind u. a. folgende: One-Minute-Paper, Scaffolding, Wandspeicher, Mentimeter, Fragebögen

Reflexionsfragen


Vorwort« 1. Was ist...?« 2. Handlungsraum« 3. Kontinuität» 4. Gemeinschaftsaufgabe» 5. Feedback» 6. Nähe, Identifikation & Vertrauen» 7. Abschluss, Unterstützer*innen und Quellen

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